The Conservation of the Madonna of the Grapes by Lukas Cranach the Elder (1472-1553)

Renewed Beauty

A report from Andreas Rüfenacht und Barbara Bührer

Ein Beitrag von Janine Jakob
Hans Friedrich Peyer-Im Thurn mit seiner Familie
The Conservation of the Madonna of the Grapes by Lukas Cranach the Elder (1472-1553)

Renewed Beauty

A report from Andreas Rüfenacht und Barbara Bührer

 

Bei der Familie, die in diesem Beitrag anhand deren Familienbildnis betrachtet wird, handelt es sich um Johannes Friedrich Peyer (1615–1688) «zur mittlere Fels», seine Ehefrau Elisabetha aus der Familie Im Thurn (1625–1697) «vom Unterhof» und ihre Kinder – drei Mädchen und drei Knaben. Das Paar heiratete am 18. September 1643 in Schaffhausen.

Schaffhauser Bildnis im Haus «zur mittlere Fels»

Es dauerte seine Zeit, bis Conrad Meyer (1618–1689) von Zürich dieses wichtige Bildnis, welches als Spezialauftrag zu bewerten ist, fertigstellen konnte. Im Bild hat der Künstler auf dem Zirkel den 7. Oktober 1653 als Datum der Vollendung dieses Kunstwerks festgehalten.

Entstanden ist das Bild in Schaffhausen, weshalb Conrad Meyer aus Zürich für eine oder mehrere Aufenthalte anreiste. Die Reise mit den sechs Kindern nach Zürich in Kutschen wäre viel zu umständlich gewesen. So entstand das Familienbildnis zweifellos im Haus der Familie beim Barfüsserplatz an der «neuen Gasse», welches vom Vorfahren Heinrich Peyer 1547 nach dem Kauf des damaligen «halben Garten der Barfüsser» erbaut wurde. Beim Umbau des Hauses im Jahr 1730 wurde es in «Haus zur Freudenfels» umgetauft, dessen Adresse in Safrangasse geändert wurde. Johannes Friedrich Peyer erbte das Haus nach dem Tod seiner Mutter Katharina Peyer geborene Zollikofer im Jahr 1651. Der Familienvater wurde somit zwei Jahre bevor er den Auftrag für das Familienbildnis gab, Eigentümer des Hauses (vgl. «Die Häuser zur Fels und zur Freudenfels in Schaffhausen», In: Schaffhauser Beiträge zur vaterländischen Geschichte. Band 24 (1947), S. 51–86).

Die Anfertigung dieses Familienbildnisses war aufwändig. Gerade bei den jüngeren Kindern waren die Studien insbesondere der Gesichtszüge wohl eine Herausforderung, da Kinder von Natur aus – wenn sie nicht gerade schlafen – in Bewegung sein wollen. Erhalten geblieben sind je eine Gesichts-Studie der Mutter Elisabetha, des Vaters Johannes Friedrich, des ältesten Sohns Johannes Wilhelm und der ältesten Tochter Catharina als Kreidezeichnungen in Schwarz und Weiss auf Papier (siehe W.R.C. Abegglen 2022, S. 176). Ursprünglich, noch vor Beginn meiner Forschungen zu Schaffhausen, während meiner Dissertationsforschung über frühneuzeitliche Mode von Zürich, Basel und Luzern, entdeckte ich die Studie der Mutter, hielt sie für eine Dame der Zürcher Elite und nahm sie entsprechend in meine Dissertation auf. Die Forschung von Walter Abegglen liess mich diese Zuschreibung in meinem Forschungsprozess berichtigen.

Wer ist wer im Familienporträt von 1653?

Ausgangspunkt der Betrachtungen zur Beurteilung der Frage wer im Bild wer ist, sind das Schriftstück und der beschriftete Zirkel im Bildnis, dessen Inhalte es zu entschlüsseln gilt.

Detail Familienportrait
Detail Familienportrait
Abb. 2: Das Schriftstück mit der Beschreibung der Familienmitglieder und dem Allianzwappen, sowie der darunterliegende, durch den Künstler Conrad Meyer signierte Zirkel

Almost 500 years ago, the Wittenberg artist Lucas Cranach the Elder (1472-1553) painted the Madonna of the Grapes. It is natural for a painting of such considerable age to undergo age-related changes over the centuries. This created a craquelure – a network of fine cracks that widened into crater-like furrows as a result of repeated harsh interventions. Almost 100 years ago, these were covered with coarse, heavily darkened retouching, giving the Madonna of the Grapes an unsightly, spotty appearance.

For four months, the conservator Barbara Bührer removed the old retouching and heavily yellowed varnish - the protective layer over the painting surface. She then retouched the exposed damage. In this way, the Madonna of the Grape received the appreciation she deserved and her beauty can now be seen in its original splendour.

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Abb. 3: Transkription und Auswertung des Schriftstücks im Familienbildnis Peyer von 1653

Die Eltern

Johannes Friedrich Peyer mit den Wecken «zur mittlere Fels» ist am 9. Juli 1615 in Schaffhausen geboren und lebte bis zum 16. Juni 1688. Er war der Sohn von Johannes Ludwig Peyer mit dem Wecken (21. Okt. 1565 – 31. Jan. 1620) und der St. Gallerin Katharina Zollikofer (22. Jan. 1581 – 15 Apr. 1650). Die Familie Peyer mit den Wecken ist als Bürgergeschlecht der Stadt Schaffhausen von der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts an nachweisbar. Der Namenszusatz «mit den Wecken» oder «mit den Weggen» bezieht sich auf die bayrischen Wecken. Das Familienwappen zeigt in Blau schrägrechts – im Bild allerdings schräglinks – drei goldene Rauten respektive bayrische Wecken. Diese nehmen Bezug zur Herkunft der Familie Peyer aus dem Bayerischen Raum.

Die Schaffhauserin Elisabetha geborene Im Thurn «vom Unterhof» war die Tochter von Marina Peyer und Hans Wilhelm im Thurn. Sie ist am 11. Dezember 1625 geboren und lebte bis zum 5. Mai 1697. Somit war Elisabetha zehn Jahre jünger als ihr Gatte. In der Frühen Neuzeit wurde auf einem Porträt oft angegeben, wie alt die porträtierte Person zum Zeitpunkt der Entstehung des Porträts war. Dies wurde jeweils mit dem Buchstaben «Æ» aus dem lateinischen Schriftsystem vermerkt. Es steht als Abkürzung für «Ætatis», was «im Alter von» bedeutet. Auch im Familienbildnis Peyer wird diese Tradition befolgt. Im Schriftstück werden als erstes die Initialen und das Alter der Eltern mit deren Allianzwappen aufgeführt. Links auf dem Schriftstück ist das Familienwappen Peyer mit dem Wecken, rechts jenes der Familien im Thurn dargestellt (Abb. 4, Abb. 5). Darauf folgen die Initialen und Altersangaben der Kinder.

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Links Abb. 4: Wappen der Schaffhauser Familie Peyer mit den Wecken (Stadtarchiv Schaffhausen, Genealogisches Register von Bartenschlager/Harder; Abbildung aus Band 6 der zehn Bände des Werks «Das noch Lebende SCHAFFHAUSEN Oder Beschreibung Aller dermahlen zu Schaffhausen sich befindenden so wol Edlen als sonst Bürgerlichen Geschlechtern. Die solche aus denen Regiments-, Tauff- und COPULATIONS Büchern zu Statt und Land zusammengetragen. Von Joh. Ludwig Bartenschlager, Schulmeister in Schaffhausen, Anno 1744». Band 6 Bartenschlager (1744–1773), «Die Peyer mit dem Weggen», S.1. Inv. StadtASH B III 10.60.01/06.

Rechts Abb. 5: Wappen der Schaffhauser Familie Im Thurn (Stadtarchiv Schaffhausen, Genealogisches Register von Bartenschlager/Harder. Band 9 Bartenschlager (1744–1773), «Die Im Thurn», S. 1. Inv. StadtASH B III 10.60.01/09.

Das Wappen Peyer, wie es auch der tüchtige Schaffhauser Schulmeister Johann Ludwig Bartenschlager (1692–1773) im Band sechs seines zehnbändigen genealogischen Registers für Schaffhausen anfertigte, zeigt in Blau schrägrechts drei goldene bayerische Wecken. Bartenschlager begann das Werk im Jahr 1744 und ergänzte es Zeit seines Lebens. Im 19. Jahrhundert wurde es durch Hans Wilhelm Harder weitergeführt und mit zwölf weiteren Bänden ergänzt. Bezüglich des Wappens der Familie Peyer: Eine Wecke bezeichnet in der Heraldik eine Raute, die etwas schlanker als ein Quadrat ist. Geweckt bezeichnet ein Muster aus gleich großen und gleich gerichteten Wecken. Daher auch im Namenszusatz die Bezeichnung der Wecken im Plural «mit den Wecken», da es insgesamt drei sind. Das Wappen der Familie der Ehefrau Elisabetha Im Thurn zeigt in Blau einen goldenen Löwenkopf mit prachtvoller Mähne und roter Zunge.

Die sechs porträtierten Geschwister

Die sechs Kinder sind ihrem Alter nach vom ältesten bis zum jüngsten Kind mit ihrem jeweiligen Alter zur Zeit der Fertigstellung des Gemäldes aufgelistet.

Beim Alter der beiden ältesten Mädchen wurde auf das darauffolgende Altersjahr je um ein halbes Jahr aufgerundet. Bei der jüngsten Tochter, im Bild das Baby, ist das Alter als Bruchteil eines Jahres als Zweidrittel angegeben, was dem Alter von acht Monaten entspricht. Man wollte nicht auf ein Lebensjahr aufrunden.

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Abb. 6: Weitere Auswertung des Schriftstücks – die Kinder mit den Lebensdaten

Unterhalb des Schriftstücks auf dem Zirkel signierte Conrad Meyer mit der Angabe seiner Herkunft aus Zürich. «Fecit» ist Latein und bedeutet «hat geschaffen». Er verdeutlichte damit neben seiner Signatur, dass er das Familienporträt gemalt hat.

In der Frühen Neuzeit ging die Gattin als Jungfrau in die Ehe und so war es, wie anzunehmen ist, auch im vorliegenden Fall des Ehepaars Peyer. Es fällt auf, dass die bei der Hochzeit 18jährige Elisabetha beim sogenannten Ehevollzug wohl in der «Hochzeitsnacht» oder die Tage danach schwanger wurde. Ihr erstes Kind von insgesamt 18 Kindern, Johannes Wilhelm, brachte sie demnach als Frühgeburt acht Monate nach der Hochzeit geboren wurde. Der Erstgeborene im Bildnis ist zur Rechten seines Vaters im Alter von neun Jahren dargestellt. Er verstarb 1667 als 23jähriger «Sponsus», da er verlobt war.

Zu seiner Rechten ist sein achtjähriger Bruder Johannes Ludwig, von dem zwei Porträts im Beitrag «Zeit für modische Accessoires» von 1718 und 1727 genauer betrachtet werden. Zu seiner Rechten im Familienbildnis ist die fünfeinhalbjährige Catharina, sechsjährig bezeichnet, abgebildet. Links unterhalb von ihr ist Johann Conrad mit schulterlangem blondem Haar im Alter von viereinhalb Jahren, als vierjährig bezeichnet, dargestellt. Er erbte 1688 das Haus «zur mittlere Fels».

Das Mädchen unten ganz rechts im Bild vor der Mutter ist die zweieinhalbjährige Maria, im Porträt als dreijährig gekennzeichnet. Sie war das sechste Kind und ist nicht zu verwechseln mit Maria Elisabetha, welche erst vier Jahre nach Erstellung des Familienporträts am 10. Juli 1657 als zehntes Kind geboren wurde.

In der Frühen Neuzeit war auch bei wohlhabenden Familien die Kindersterblichkeit hoch. Kinder starben nicht selten bei deren Geburt oder in den frühen Kindesjahren aufgrund von Krankheiten, die medizinisch noch nicht effektiv behandelt werden konnten. Verzeichnet wurden die Sterbedaten der früh verstorbenen Kinder in der Regel nicht. Beim Tod eines Kindes wurde einzig ein Kreuz notiert. Unten rechts im Bild ist ein Totenkopf dargestellt. Er steht für den Ausdruck «Memento Mori», was «Gedenke des Todes» bedeutet, und die Vergänglichkeit des Lebens. Der Totenkopf, im Bildnis von der Tochter Maria gehalten, nimmt Bezug auf das bereits verstorbene dritte Kind der Familie. Es handelt sich dabei um Johannes Friedrich, welcher am 25. Oktober 1646 geboren wurde und vor der Erstellung des Porträts und somit vor 1653 verstarb.

Rechts im Bild hält die Mutter Elisabetha das jüngste Familienmitglied, geboren am 20. Januar 1653, in den Armen. Es ist die gleichnamige Tochter Elisabetha im Alter von acht Monaten. Leider verstarb die im Bild vitale und neugierige Elisabetha sehr jung, spätestens im Jahr 1657, bevor am 10. Juli Maria Elisabetha zur Welt kam. Es war Tradition, dass eine Tochter jeweils mit dem Vornamen der Mutter und ein Sohn mit jenem des Vaters getauft wurde. Wenn jenes Kind verstarb, erhielt ein später geborenes Kind den Vornamen des entsprechenden Elternteils erneut.

Nach der Erstellung des Familienporträts wuchs die Familie weiter an. Insgesamt zählte die Familie 18 Kinder, von denen acht nachweislich eine eigene Familie gründeten und zwei im Heiratsalter verstarben. Vier Kinder sind nachweislich im Kleinkindalter verstorben, was vermutlich auch für die vier weiteren Kinder gilt. Nach dem jüngsten im Bildnis dargestellten Kind Elisabetha folgten Anna Sabina (* 27.8.1654), Ursula (*3.2.1656), Maria Elisabetha (*10.7.1657), Juditha (*30.6.1659), Margaretha (15.4.1661), Barbara (*26.3.1663), Johannes Friederich (18.1.1665), Johannes Friederich (*31.5.1666), Ursula (*1.1.1669) und Johannes Wilhelm (3.3.1670 – 16.2.1690).

Die im Familienporträt dargestellten drei Töchter und drei Söhne sowie deren Eltern zeigen sich über ihr Äusseres als Teil der sozialen Elite Schaffhausens. Ihre Bekleidung, die Accessoires und ihr Schmuck sind aufwändig und kostbar. Details zur frühneuzeitlichen Mode der Familie Peyer, von Schaffhausen und der Nordostschweiz sind Teil meiner derzeitigen Forschung.

 

 

Dieser Beitrag entstand ergänzend zum Vortrag «Prachtvolle Mode der Frühen Neuzeit. Die Sammlung der Peyerschen Tobias Stimmer Stiftung im Kontext aktueller Forschung», den die Autorin an der Veranstaltung «Überraschende Perspektiven auf die Kunst» hielt. Der Jubiläums-Anlass vom 14. April 2024 wurde durch den Kunstverein Schaffhausen im Rahmen seiner Ausstellung «175 Jahre Kunstverein Schaffhausen – Kunst vereint» im Museum Allerheiligen Schaffhausen durchgeführt.